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Rede des 1. Vorsitzenden zur Feier des 100jährigen Jubiläums am 01.07.2023

 Sehr geehrte Gäste,

Liebe Mitglieder,

Liebe Freunde und Förderer des Wassersportvereins!

Ich darf Sie und euch zu unserem Festakt, besser eigentlich zu unserer festlichen Bootstaufe, am heutigen 1. Juli 2023 ganz herzlich begrüßen.

Auch wenn natürlich alle Gäste gleich herzlich willkommen sind, so möchte ich doch einige hervorheben und sie in alphabetischer Reihenfolge namentlich begrüßen und ihre Funktion benennen. Ich begrüße…

Herrn Marc Hildebrandt aus dem Vorstand des Deutschen Ruderverbandes (Grußwort)

Herrn Micheal Koop als Präsident des Kreisportbundes und Vizepräsident des Landessportbundes (Grußwort)

Herrn Dr. Hubert Kruse, zweiter stv. Landrat des Landkreises Emsland (Grußwort)

Herrn Oliver Roosen, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Emsland (Grußwort)

Herrn Rüdiger Schlünzen, stv. Vorsitzender des Niedersächsischen Ruderverbandes (Grußwort)

Herrn Martin Tecklenburg, stv. Bürgermeister der Stadt Meppen (Grußwort)

Weitere Menschen, über deren Anwesenheit wir uns besonders freuen, werden wir bei den Taufen begrüßen.

Begrüßen möchte ich an dieser Stelle auch Peter Göpfert, unseren Ehrenvorsitzenden, einer der guten Seelen des Vereins. Ich begrüße ihn auch stellvertretend für die Generation der Mitglieder, die seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts aktiv das Vereinsleben gestaltet haben und den Verein zu dem gemacht haben, was er heute ist. Dabei denke ich auch an die, die heute nicht mehr unter uns sind: Willi Lill, Karl Jansen, Dieter Kronenberg, Herbert Dütemeyer und Ulla Verhoeven, um nur einige zu nennen. Alle haben auf ihre Weise dazu beigetragen.

Allen, die heute hier sein können, ein herzliches Willkommen!

Wer eine Jubiläumsrede halten darf, wird immer auch auf die Wurzeln des Vereins eingehen. Die Geschichte unseres Vereins beginnt Anfang Oktober 1922 mit der Bildung eines vorbereitenden Ausschusses zur Gründung eines Rudervereins.

Erstaunlich: Bereits im November 1922 (also Monate vor Gründung des Vereins) wurden bei der Werft Luersen in Vegesack ein Riemenvierer und ein Doppelzweier bestellt, die später auf den Namen „Ems“ und „Hase“ getauft wurden, zu sehen auf einem der ganz frühen Bilder aus dem Fundus des Vereins.

Am 01.12.2022 fand die Gründungsversammlung statt und im Öffentlichen Anzeiger. Beilage zum Amtsblatt der Regierung zu Osnabrück, ausgegeben am 10. Februar 1923, findet sich folgende Notiz „Im hiesigen Vereinsregister ist der Wassersportverein Meppen mit Sitz in Meppen eingetragen, Amtsgericht Meppen, 29.01.1923.“

Das erste Bootshaus, an der Koppelschleuse gelegen, wurde gebaut, der Verein wuchs und bildete in den 1920iger und 30iger Jahren wohl einen der gesellschaftlichen Mittelpunkte der Stadt Meppen. Die Festschrift von 1963, aus der ich hier zitiere, berichtet von erfolgreichen Regatten, gelungenen Wander- sowie Kaffeefahrten und unvergesslich schönen Winterfesten im Hotel Germania, dem damaligen Vereinslokal des WSVM.

An dieser Stelle -und dies sei mir als Redner einer Festrede erlaubt – zwei kritische Anmerkungen: Man verstand es damals, unter sich zu bleiben. Alle, die in den Verein eintreten wollten, benötigten zwei Bürgen, also Mitglieder des Vereins, die dem Aufnahmeantrag zustimmen mussten. Ein System, das sich lange Jahre gehalten hat und nicht ganz freiwillig aufgegeben wurde.

Zweite kritische Anmerkung: Es finden sich in den noch vorhandenen Quellen, die alle aus der Zeit nach 1933 stammen, keine Namen uns heute bekannter Meppener jüdischen Mitbürger:innen der damaligen Zeit. Das ist eigentlich sehr verwunderlich, den auch sie gehörten zumindest teilweise zum Meppener Großbürgertum, aus dem sich die Mitglieder des Vereins damals sehr überwiegend rekrutierten. – Hier scheint mir ein interessanter Forschungsansatz zu liegen, dem man nachgehen müsste.

Der Bootsschuppen an der Koppelschleuse wurde bald zu klein und es entstand auf Betreiben des WSVM 1927 ein Anbau an das Hotel Germania, dem heutigen Domizil der Meppener Tagespost. Das dortige Bootshaus nutzte der Verein neun Jahre, in denen die sechs Gigboote, die der Verein damals besaß, dort untergebracht waren.

Dann der erste „Quantensprung“: Es gelang der Ankauf dieses Geländes und am 26. Juni 1937 konnte der Grundstein für dieses Bootshaus gelegt werden. 1936, so eine meiner Quellen, hatte der Verein 105 Mitglieder, davon 76 aktive Ruderer und Ruderinnen.

So hätte die Erfolgsgeschichte weitergehen können, aber dann entfesselte Deutschland 1939 den zweiten Weltkrieg, das bislang größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Über diese Zeit schwiegen sich die Zeitzeugen weitgehend aus, aber eine Quelle fand sich dann doch. Im Protokollbuch des Vereins finden sich zum Festakt des 30-jährigen Bestehens, also 1953, folgende – aus heutiger Sicht – verstörende Zeilen:

„Der 2. Weltkrieg brachte dem Verein einen empfindlichen Rückschlag, da nicht nur viele Mitglieder eingezogen wurden, sondern vor allem da der unglückliche Ausgang eine Beschlagnahme des Bootshauses zur Folge hatte und sämtliche Boote bis auf 2 schwer beschädigte Einer und 1 Zweier durch die Polenbesatzung verloren gingen. Nebenbei verschwand auch die Einrichtung.“ – – Kein Schuldeingeständnis, nicht einmal der Ansatz einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle, stattdessen eine Beschwerde darüber, dass nach dem „unglücklichen Ausgang“ des Krieges neun Boote und das Mobiliar während der Nutzung des Bootshauses als Autowerkstatt durch die polnische Armee entweder verfeuert oder beim Abzug 1947 mitgenommen wurde. Eine Einstellung, die heute erschrecken lässt, in damaliger Zeit aber wohl weit verbreitet war, in der man sich, so ein befreundeter Historiker, eher in der Opferrolle sah, als sich der Schuld zu stellen.

Im Dezember 1947 wagte man einen Neuanfang, zu einem ersten Treffen fanden sich, so das Protokoll „mehr oder weniger 30 Personen“ ein. Das Bootshaus wurde in den folgenden Jahren renoviert, Boote repariert oder neu angeschafft. Die ersten regionalen Regatten wurden 1953 ausgetragen, denen in den 1960iger Jahren und später viele Siege auch in überregionalen Regatten wie Bremen folgten. Der Verein war in den 50iger und 60iger Jahren erneut auch aus dem gesellschaftlichen Leben der Meppener nicht wegzudenken, Heringsessen, Karnevalsfeste, Bälle, Kaminabende und Tanztees waren Fixpunkte des gesellschaftlichen Lebens.

Zahlreiche Wanderfahrten und Wochenendfahrten fanden unter den jungen Mitgliedern großen Anklang, die Anzahl der Regattasiege in den 1950/1960iger wuchs und wuchs. Diese Erfolgsgeschichte, an denen viele Mitglieder, Frauen und Männer, beteiligt waren, gipfelte in den zahlreichen Erfolgen – u. a. Weltmeisterschaftstiteln – von Alwin Otten. – Aber auch in jüngster Zeit sind jugendliche und auch ältere Aktive des WSVM aktiv auf Regatten unterwegs, ein brandaktueller Erfolg gelang erst letzte Woche Daniel Stietz, Meppener Ruderer, der für das Team-NordWest deutscher Vizemeister im Leichtgewichts-Einer Junior A wurde und noch deutlich mehr vorhat, wie er mir verraten hat.

Während der vergangenen Jahrzehnte wurde das Bootshaus mehrfach erweitert und umgebaut: 1973 wurde eine Bootshalle angebaut und das Bootshaus auf den damals neuesten Stand gebracht. Dann 2001/2002, der zweite „Quantensprung“: Es erfolgte eine völlige Entkernung und ein umfassender Neuaufbau des Bootshauses, in dessen Folge wir mit Jens Waldhof-Tallen unseren in der 100-jährigen Vereinsgeschichte bislang erfolgreichsten und langjährigsten Pächter ins Bootshaus holen konnten.

Zehn Jahre später konnte der Anbau mit der großen Bootshalle und dem Fitnessraum darüber erstellt werden. Erfreulicherweise sind die damals aufgenommenen Darlehen im letzten Jahr komplett zurückgezahlt worden, sodass wir pünktlich zum Jubiläum schuldenfrei sind.

Im Zuge der Vorbereitung auf das Jubiläum fiel mir die Festrede zum 75-jährigen Bestehen des WSVM in die Hände. Gehalten hat sie damals Rolf Holling, mein Vor-, Vor-, Vor- Vorgänger im Amt. Er führt in seiner damaligen Rede u.a. aus, wie wichtig ein Verein für das Aufwachsen und Erwachsenwerden von Jugendlichen sei. Am Ende seiner Ausführungen schreibt er:

„Ich bin der Überzeugung, daß der WSVM auf diesem Gebiet sicherlich das seinige dazu beiträgt; daß der Verein gerade durch sein Bootshaus, sein Sportangebot, sein Vereinsleben und seine langjährige Tradition der Jugend hilft, ein geordnetes, vom Elternhaus mitgegebenes Leben zu bewahren, bzw. ein solches zu finden. Denn letztlich ist der WSVM ein Verein, der im Wesentlichen von der Jugend lebt und in Zukunft auch nur mit ihr bestehen kann. Sicherlich gehört dazu auch die finanzielle Seite, die von den älteren Mitgliedern getragen wird. Aber ohne Jugend, die aktiven Ruderinnen und Ruderer, kann der Verein nicht existieren.“

Dem letzten Satz „Aber ohne Jugend, die aktiven Ruderinnen und Ruderer, kann der Verein nicht existieren“ kann ich uneingeschränkt zustimmen. Uns ältere Mitglieder auf die Rolle der Geldbeschaffer zu reduzieren, wie Rolf Holling es in seiner Rede damals machte, ist aber aus heutiger Sicht energisch zu widersprechen. Das klingt beim Anblick der sechs neuen Boote, die wir gleich taufen werden, zutiefst widersprüchlich, das gebe ich zu. Aber der moderne Verein, und dazu zähle ich den WSVM im Jahre 2023, ist hoffentlich ein Ort für alle Generationen, das zu tun, was uns alle verbindet, in unserem Fall der Spaß am Rudern!

Blicken wir in die Zukunft: Wird es ein Jubiläum im Juni/Juli 2048 geben und meine Nach-Nach-Nachfolgerin oder mein Nachfolger zum 125-jährigen Jubiläum eine Festrede halten?

Nun, zunächst sind die äußeren Faktoren zu berücksichtigen. Im Anbetracht der letzten trockenen Wochen muss man sich schon fragen, ob 2048 auch im Hochsommer so viel Wasser in der Hase und im Kanal sein wird, dass Rudern noch möglich ist. Unser Sport ist extrem abhängig von einer einigermaßen intakten Natur. Dass wir über diese Dinge nachdenken müssen, hat die Generation meiner Eltern und meine Generation zu verantworten. Und sind wir ehrlich, da sind wir keine guten Vorbilder. Dieses Päckchen bürden wir Älteren den heutigen jungen Menschen auf. Und ich habe nicht das Gefühl, dass wir Älteren bereit sind, unsere Fehler einzugestehen und uns aufrichtig auf den Weg machen, sie zu verbessern. So gesehen haben wir eine gewisse Parallele zu dem, was ich anfangs der Rede den Menschen in den 50igern vorgeworfen habe.

Intern ist der WSVM dagegen gut aufgestellt. Dank unseres regen Fördervereins, solcher Institutionen wie dem Landkreis, der Stadt Meppen und der Sparkassenstiftung und vieler Einzelspender und Spenderinnen, deren Früchte ihres Wirkens wir hier vor uns sehen, bin ich guter Dinge, dass es den Verein 2048 noch geben wird.

Ein zunehmendes Problem ist die bundesweit zurückgehende Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren. Viele Jahre sind wir von diesem Phänomen verschont geblieben, konnten alle nötigen Posten im Vorstand besetzen. Das hat sich geändert. Aber auch hier sind wir auf einem guten Weg, denn wir werden mithilfe der Vereinsberatung des KSB die ehrenamtlichen Strukturen modernisieren und sind der festen Überzeugung, so den Weg für zukünftige funktionierende Strukturen bereiten zu können.

Was bleibt ist die Hoffnung auf Frieden in Freiheit. 1923 war dies der Fall, aber die Freiheit wurde nicht wertgeschätzt, 1948, das haben wir in dem Auszug von 1953 wahrgenommen, galt eigentlich das Gleiche, wenn statt von einer Befreiung von einem unglücklichen Ausgang des Krieges die Rede war. 1973 war der Frieden zumindest nicht unmittelbar gefährdet und die 68iger Generation hatte den Muff der 50iger und 60iger Jahre hinweggefegt. 1998 habe ich als eine glückliche Zeit in Erinnerung, auch wenn der Freudentaumel neun Jahre nach der Wiedervereinigung bei vielen der Ernüchterung wich.

2023 leben wir in Freiheit, aber sie ist wie eigentlich fast immer gefährdet: Jüngste Umfragen und Wahlergebnisse lassen Böses ahnen und der Krieg in der Ukraine ist noch lange nicht entschieden.

Aber – und damit komme ich zum Schluss meiner Rede – bleiben wir optimistisch. Gerudert werden konnte fast immer in den letzten 100 Jahren und vielleicht – ganz vielleicht – sitze ich irgendwo hier auf diesem Platz in genau 25 Jahren (also im Jahre 2048) auf einem Stuhl, bin 86 Jahre alt und erfreue mich an der Rede der dann amtierenden Vorsitzenden, die diesen Schluss meiner Rede zitiert und mich dabei anschaut. Um mich herum wünsche ich mir viele Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, allen Alters und Ausrichtungen jeglicher Art, also inmitten einer bunten Vielfalt.

Vielen Dank!

(Harald Hillers)